Vorwort

Vorwort

Seitdem die Vermittlung der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas in den deutschsprachigen Ländern in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ihren Anfang genommen hat,sind bereits über 60 Jahre verronnen. Aber die diesbezügliche systematische Forschung ist bis dato durch ihr fehlendes Vorhandensein wissenschaftlich nicht gerecht. Diese Arbeit sieht ihre Aufgabe darin:(1)eine systematische Bestandsaufnahme der Vermittlung der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas ins Deutsche von 1978 bis 2017 vorzunehmen;(2)die verschiedenen Faktoren eingehend zu erforschen,die Einfluss auf die Vermittlung ausüben;(3)auf die Beziehung zwischen der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas per se und deren Vermittlung ins Deutsche einzugehen.

Auf der Basis der jeweiligen Datenbanken des Richard-Wilhelm-Übersetzungszentrums und der Zeitschrift „Hefte für ostasiatische Literatur“ wird eine eigenständige Datenbank erstellt,die sich auf die deutschsprachigen Übersetzungspublikationen der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas von 1978 bis 2017 bezieht. Aus der nachfolgenden quantitativen Analyse ergibt sich,dass die Vermittlung der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas im besagten Zeitraum insgesamt drei Phasen durchlaufen hat:eine Hochphase 1978-1991,eine Tiefphase von 1992-1999 und den neuen Aufschwung von 2000-2017.

Im Allgemeinen erweist sich die Vermittlung als unbefriedigend. Es mangelt an Nachhaltigkeit und Präsenz,wodurch ein nur sehr kleiner Kreis deutscher RezipientInnen entstanden ist. In der Vermittlungstätigkeit fungieren Zeitungen,Zeitschriften und buchförmige Anthologien bzw. Einzelausgaben als Hauptvermittlungsmedien. Im deutschsprachigen Raum setzt sich der Vermittlungsinitiator hauptsächlich aus wissenschaftlichen und kommerziellen Verlagen zusammen,deren Vermittlungstätigkeiten jeweils wissenschaftlich und kommerziell motiviert sind. Hingegen sind die Vermittlungstätigkeiten in den chinesischen Staatsverlagen vor allem von der inländischen und ausländischen Politik and der chinesischen Marktwirtschaft abhängig. Bezugnehmend auf den zu übersetzenden Text,kommen Ideologie und Poetik dabei voll zur Geltung. Unter ihrem Einfluss werden realitätsnahe,kulturrevolutionäre,verbotene,sowie landeskundliche chinesische Erzählungen von den deutschsprachigen Verlagen bevorzugt.

In Anlehnung an dieLasswell-Formel konstruiert die Arbeit ein literarisches Vermittlungsmodell,das aus Initiator,dem zu übersetzten Text,Übersetzer,Medium,RezipientIn und Vermittlungseffekt besteht und Sponsorschaft,Ideologie und Poetik als externe Einflussfaktoren einschließt. Dem Vermittlungsmodell ist zu entnehmen,dass die Vermittlungstätigkeit von historischer,holistischer und kontextueller Natur ist. In diesem theoretischen Rahmen werden qualitative Analysen durchgeführt. Daraus geht hervor,dass Ideologie und Poetik die Haupteinflussfaktoren sind,die wiederrum von dem Wandel des Chinabilds im deutschsprachigen Raum und der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas per se geprägt sind. Unter dem Einfluss der starren Ideologie und Poetik wird die politische und soziologische Interpretationsperspektive langfristig existieren. Allerdings hat sich die Situation mit der Umwandlung der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas sukzessiv verändert. Unter der „Umwandlung“ versteht man die Rückkehr der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas von 1978 bis 2017 von der politischen zur literarischen Ästhetik. Diese Rückkehr hat die starre Wahrnehmung der deutschsprachigen LeserInnen gegenüber der gegenwärtigen erzählenden Literatur Chinas verändert. Sie interpretieren heute die gegenwärtige erzählende Literatur Chinas anders als in der Vergangenheit nicht nur aus der politischen bzw. soziologischen Sicht,sondern schenken auch dem literarischen Aspekt der Werke mehr Aufmerksamkeit,was der historischen Natur der Vermittlungstätigkeit entspricht.

Anhand der Auflagenhöhe und der Anzahl der Rezensionen wählt die Arbeit die erfolgreichste Übersetzung aus den jeweiligen drei Vermittlungsstufen aus und führt hinsichtlich der verschiedenen Einflussfaktoren sowie der Übersetzungsstrategien Fallstudien durch. Aus den Studien lässt sich folgern,dass der Erfolg der ausgewählten Werke duch das Zusammenwirken der einzelnen Bestandteile des literarischen Vermittlungsmodells herbeigeführt wird,was die holistische und kontextuelle Natur der Vermittlungstätigkeit erneut untermauert. Vor dem Hintergrund,dass sich die gegenwärtige erzählende Literatur Chinas in der Peripherie des Systems der deutschen Literatur befindet,leistet die Subjektivität des Übersetzers einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Übersetzungen. Der Einsatz der ausgangssprachorientierten adequate Translation(adäquate Translation),die aber auch die literarische Ästhetik und die Lesbarkeit des Werks harmonisch miteinander verbindet,hat folglich einen hohen Referenzwert. In diesem Sinne soll man bei der Vermittlung der chinesischen Literatur die historische,holistische und kontextuelle Natur stets berücksichtigen und darauf aufbauend die Lokalisierung der literarischen Vermittlungstätigkeiten in den deutschsprachigen Ländern fördern.

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